Information über die Geschichte

Das Hornwerk der Festung Hohensalzburg
Prof. Gerhard Walterskirchen

Zahlreiche Städte, Stifte und Klöster ließen im Mittelalter Hornwerke in ihre Tor- und Befestigungstürme einbauen. Vollständig erhalten geblieben ist jedoch nur das Hornwerk der Festung Hohensalzburg. Erzbischof Leonhard von Keutschach soll es im Jahr 1502 angeschafft haben, um die Bewohner der Stadt morgens um 4 Uhr zu wecken und ihnen abends um 19 Uhr die Schlafenszeit anzukündigen. Dieses Freiluftinstrument ist nach Art einer Blockwerkorgel eingerichtet: Es besteht nur aus Pfeifen – es sind 135 noch großteils original erhaltene Metallpfeifen – aus Windkasten und Balg, besitzt also keine Spielvorrichtung. Wird der Blasbalg betätigt, ergeben die 135 Pfeifen in Principalbauweise (16‘, 8‘, 4‘, 3‘ und 2‘) den mixturartig vielfach verstärkten Akkord F-A-C, aus dem die Terz hervorsticht. Dadurch entsteht der weithin hörbare signalartige „Schrei“, der zur Bezeichnung „Horn“, in Salzburg auch zum Terminus „Stier“ geführt hat.

Das Salzburger „Schloßhorn“ befand sich ursprünglich hinter einer Flügeltür im Vorbau des Hohen Stocks über den Fürstenzimmern und wurde – vermutlich um 1640 – an seinen heutigen Platz auf der nördlichen Ringmauer, in einen Erker über der „Bastei“ im „langen Gang“ übertragen. Im Zuge dieser Transferierung dürfte dem Hornwerk die ebenfalls noch erhaltene Walzenorgel zugebaut worden sein, die jedoch unabhängig vom „Horn“ funktioniert und zunächst nur ein Stück – den „Alten Choral“ – spielte. Mit diesem Choral konnte der „Stier“ unterbrochen werden und es entstand die dreiteilige musikalische Folge Orgelschrei (Horn) – Choral – Horn.

Die Walzenorgel verfügt bei einem Tonumfang von F-g2 über 125 Principalpfeifen, wobei die tiefsten Pfeifen zweifach und – progressiv ansteigend – die höchsten Töne achtfach angelegt sind, um die Durchschlagskraft entsprechend zu erhöhen.

Freiluftinstrumente sind in besonderem Maße Temperatur- und Witterungsumschwüngen ausgesetzt. Daher mußten im Laufe der Zeit viele Renovierungen am Hornwerk vorgenommen werden. 1725 war, im Zuge einer Reparatur des Werkes, eine neue Walze mit drei Stücken geplant, doch kam es vorerst nicht dazu. 1753 übernahm der Salzburger Hoforgelmacher Rochus Egedacher die „völlige Reparation und Ergänzung dieses schönen Werkes“: Unter weitgehender Wiederverwendung der erhaltenen Pfeifen erneuerte er das Werk in der überlieferten Anlage und setzte 12 Stücke, eines pro Monat, auf eine neue Walze. Die Musik dafür – kleine Stücke, die den jeweiligen Monat charakterisieren sollten – lieferten die Salzburger Hofmusiker Leopold Mozart und Johann Ernst Eberlin. 1759 publizierte Leopold Mozart, „auf Verlangen vieler Liebhaber“, die 12 Stücke in einer Fassung für Klavier unter dem Titel „Der Morgen und der Abend“ und nahm damit Bezug darauf, daß sich das „Horn täglich Morgens und Abends hören ließe“.

Die Walze, auf der die Stücke mittels Stiften aufgesetzt sind, wird über eine eiserne Achse mit einem Schwungrad bewegt. Dabei schleifen die Metallstifte über kleine Hebel, die die Pfeifenventile öffnen und dadurch den Ton auslösen. Für kurze Notenwerte genügt ein Stift, für längere ist ein Steg notwendig. Einkerbungen auf der Walze ermöglichen das Einrücken und damit den Wechsel des Musikstückes.

In der auf Rochus Egedacher 1753 zurückgehenden Ausführung blieb das Hornwerk im Wesentlichen bis heute bestehen. Mehrmals verändert wurde jedoch das Musikprogramm: 1820 setzte der Salzburger Büchsenmacher Gitzl sechs neue Stücke auf die Walze, um 1835 kam die österreichische Volkshymne dazu.
1892 waren Walze und Bestiftung so desolat, daß eine Sanierung nicht länger aufgeschoben werden konnte. Das Orgelwerk wurde von der Salzburger Orgelbauanstalt Matthäus Mauracher restauriert, der Wiener Orgelbauer Franz Janisch erhielt den Auftrag, folgende neun Stücke „hervorragender salzburgischer Tonkünstler“, die von einer Expertenkommission ausgewählt worden waren, auf die Walze zu setzen:

  1. Joseph Haydn: Österreichische Volkshymne
  2. Anonym: Der alte Choral
  3. Paul Hofhaimer: „Lydia, dic“
  4. W.A. Mozart: „Komm, lieber Mai“
  5. Michael Haydn: „Sehnsucht nach dem Landleben“
  6. Johann Ernst Eberlin: Menuetto
  7. Johann Ernst Eberlin: Wiegenlied
  8. Leopold Mozart: Die Jagd
  9. Leopold Mozart: Menuetto pastorello

Die letzten vier Sätze stammten aus dem Repertoire von 1753.

1938 kamen zwei nationalsozialistische Lieder auf die Walze, die man nach 1945 wieder entfernte.

Nach 1945 wurde, um mehr Abwechslung an Musikstücken zu erhalten, eine zweite Walze mit dem folgenden Repertoire angeschafft:
  1. Paul Hofhaimer: „Lydia dic“
  2. Anonym: Der alte Choral
  3. Mönch von Salzburg: Rosenlied
  4. Paul Hofhaimer: „Ich hab heimlich ergeben mich“
  5. Alois Taux: „Der Heiland ist erstanden“
  6. Volkslied: „Still, still, still“
  7. Joseph Haydn: Kaiserlied
  8. W.A. Mozart: Bundeslied (Bundeshymne)

Fünfzig Jahre danach ist der „Salzburger Stier“ erneut in allen seinen Teilen reparaturbedürftig. In ebenso aufwendiger wie bewundernswerter Arbeit wurde das Programm der beiden erhaltenen Walzen im Frühjahr 2001 von Renate Croll transkribiert. Diese Transkription bildet den Ausgangspunkt für die Satzvorlage, die am Institut für Musikwissenschaft der Universität Salzburg, gemeinsam mit einem Experten für mechanische Werke von internationaler Reputation, Direktor Jan Jaap Haspels vom Nationalmuseum Utrecht/Niederlande, erarbeitet wurde. In Utrecht werden derzeit die zwölf Stücke von 1753 auf die restaurierte Walze gesetzt, parallel dazu in der Werkstätte von Orgelbaumeister Ferdinand Salomon (Leobendorf/N.Ö.) Pfeifen, Windlade und Bälge saniert.

Eine zweite Walze mit Stücken, die in ihrem vokalen Duktus und im getragenen Tempo den akustischen Möglichkeiten von Walzenwerk und Freiluftinstrument noch besser als die galanten Stücke von 1753 entsprechen sollen, ist in Planung. Zum 500 Jahr-Jubiläum des Hornwerks wird der „Salzburger Stier“ am 26. Oktober 2002, nach mehrjähriger Restaurierungsphase, wieder erklingen.

Gerhard Walterskirchen

Musik auf der Festung Hohensalzburg
Prof. Gerhard Walterskirchen
Festschrift "900 Jahre Festung Hohensalzburg"
Verlag Landespressebüro Salzburg, 1977

Als letzter klingender Zeuge der großen Zeit Salzburgs als Zentrum für weltliche und geistliche Macht ist allein das Hornwerk auf der Festung erhalten geblieben. Über der Bastei gegen Osten, wo sich der (obere) Trompeterturm befindet, hat es im "langen Gang" dahin, in einem erkerartigen Vorbau, allen Unbilden – wenn auch nicht im ursprünglichen Zustand – getrotzt. Die Tradition berichtet, dass der Erzbischof Leonhard von Keutschach das Hornwerk, jene später als Salzburger Stier bezeichnete Orgel, die nur aus Pfeifen, Windkasten und Balg besteht, also keine Spielvorrichtung besitzt, einbauen ließ. Wann er das tat, läßt sich quellenmäßig nicht belegen. Das hängt nun sicher mit der Tatsache zusammen, dass dieses Werk erst viel später an seinen heutigen Platz kam. Die schon zitierten Inventare und alte Salzburger Stadtansichten lassen keinen Zweifel daran, dass sich dieses Wahrzeichen Salzburgs hinter der Flügeltür im Turmartigen Vorbau des Hohen Stockes über den Fürstenzimmern befand. Der Salzburger Chronist Stainhauser (1626), der lange Zeit in Erzbischof Wolf Dietrichs Diensten stand, bestätigt das indirekt, wenn er am Schluß seines Berichtes über "Leben und Wandel Wolf Dietrichs" schreibt, dass man während dessen Gefangenschaft das Horn, so man täglich morgens um vier Uhr und abends um sieben Uhr getrötten, welches einen gar lieblichen Ton von sich gibt, seiner Gefäncknus nachet und gleich darob war, nit mehr getrötten, sondern feiern lassen. Aus diesem Bericht wissen wir auch, das Wolf Dietrich unter anderem das erste Zimmer zunegst bei dem guldin Saal bewohnte. Wann das Hornwerk an seinen heutigen Platz auf der nördlichen Ringmauer übertragen wurde, wissen wir nicht. Schlegel vermutet im Jahr 1644, als Erzbischof Paris Lodron das Ziegeldach über dem Hohen Stock beseitigte. Dem widerspricht das Inventar vom 22. April 1650 im Konsistorialarchiv Salzburg, das bei der Aufzählung des Hausrates im Inneren Schloß zu Obrist, unther dem Dach nach wie vor die erste Kammer zu negst bey dem Horn führte. Möglicherweise ist die Transferierung im Zuge der Reparatur des Hornwerks im Jahre 1668 erfolgt. Die Ansicht der Festung um das Jahr 1735 zeigt bereits eindeutig die heutige Situation. Hornwerke waren akustische Mahner gleich den Glocken und konnten demnach verschiedene Funktionen haben. Nach der Bestimmung von Erzbischof Leonhard sollte das Salzburger "Schloßhorn" die Bewohner der Stadt zur Arbeit wecken und ihnen die Schlafenszeit ankündigen oder sonst als Verständigungsmittel dienen, wie es in den Tälern des Alpenlandes durch Tierhörner üblich war. Es tat dies mit dem vielfach verstärkten, hornartigen "schreienden" Zusammenklang der Töne des F-Dur-Dreiklangs aus 135 Metallpfeifen, geordnet in Oktav- und Quintchören. Als Erbauer wurden der Passauer Orgelmacher Michael Rytzinger, von dem das Hornwerk im Torturm des Stiftes Kremsmünster (1518) stammt, und Christian Taler aus Wasserburg/Inn, der 1505 die große Orgel im Stift St. Peter errichtete, ins Gespräch gebracht. Belege konnten jedoch für keinen der beiden beigebracht werden. Erstmals ist das "Horn" im Inventar von 1540 erwähnt. Noch im 16. Jahrhundert, Quoika vermutet vor 1560, wurde dem Hornwerk eine Walzorgel in loser Verbindung, doch unabhängig davon, zugebaut. Sie sollte den starren Akkord des Geschreys mit einem Musikstück zur Besinnung, das Leopold Mozart schon den alten Choral nannte, unterbrechen. Sein Komponist bzw. die Herkunft der Melodie konnte nach wie vor nicht eruiert werden. Obwohl Herrmann Spies die Annahme Engls, der Pallinger Chorherr Augustin Ebler habe diesen Choral gemacht, bereits 1927 entschieden zurückgewiesen hat, gibt die Tradition Ebler den Vorzug vor den beiden, in diesem Zusammenhang noch genannten Komponisten Hofhaimer und Glanner. Die Melodie mutet in ihrer dreizeiligen Faktur wie eine Kompilation von mehreren bekannten Choralpartikeln an und dürfte sich im Liedgut der im Inventar von 1540 genannten Gesangsbucher befunden haben. Auch der Erbauer der Walzorgel ist anonym geblieben – vielleicht war es der Salzburger Orgelmacher Caspar Bockh, von dem bekannt ist, dass er das Hornwerk des Stiftes Admont verbessert hat. Ihre Funktionsweise ist der des Hornwerks ähnlich: Sie hat 125 Pfeifen für die Töne von F bis g2, um die höherliegenden Töne zur Steigerung der Durchschlagskraft mehrfach besetzten zu können, und ist ebenfalls in Blockwerksform, d.h. ohne Registerteilung, gebaut. Dazu kommt nun eine Walze, auf der die dem Tonumfang entsprechenden Stücke mit Stiften eingeschlagen werden. Diese Walze kann mit einem Schwungrad über eine eiserne Achse bewegt werden. Dabei schleifen die Stifte über kleine Hebel, die die Pfeifenventile öffnen und so den Ton auslösen. Für kurze Notenwerte genügt ein Stift, für längere muß ein sogenannter Steg oder Kamm gebaut werden. Die Salzburger Walzenorgel spielte zunächst nur ein Stück, den alten Choral, eingeleitet und beschlossen vom langgezogenen Akkord des Hornwerks. Im Zuge der zahlreichen, witterungsbedingten Reparaturen – handelt es sich doch um eine Freiluftorgel - wurde das Repertoire ständig erweitert. 1668 soll das Walzenwerk drei Stücke gespielt haben, 1753 bereits zwölf. Die Salzburger Hofmusiker Leopold Mozart und Johann Ernst Eberlin hatten die Reparatur durch den Hoforgelmacher Rochus Egedacher zum Anlaß genommen, für die neue Walze neue Stücke zu komponieren. Zwar ist die Originalfassung dieser Stücke verschollen, jedoch in einer von Leopold Mozart herausgegebene Bearbeitung für Klavier, die "auf Verlangen vieler Liebhaber" von beiden Komponisten für ihre Stücke vorgenommen wurde, erhalten geblieben. Von Eberlin stammten fünf, von Leopold Mozart sechs Stücke. Aus dem früheren Repertoire wurde der alte Choral übernommen. So erhielt die neue Walze insgesamt zwölf Stücke – für jedes Monat eines. 1820 kam auf die alte Walzenstange eine neue Walze mit sechs Stücken, etwa zehn Jahre danach als siebtes Stück die alte österreichische Volkshymne. 1893 wurde anläßlich einer neuerlichen Überholung des Repertoire von 1753 in Augsburg wiederentdeckt und daraus der Choral, je zwei Stücke von Eberlin und Leopold Mozart neben Stücken von W. A. Mozart, Joseph und Michael Haydn und Paul Hofhaimer vom Wiener Orgelbauer Franz Janisch auf die Walze gesetzt. Die letzte Sanierung des Werks nahm die Salzburger Orgelbaufirma Reinisch vor. Heute spielt das Hornwerk in der Zeit zwischen Palmsonntag und 31. Oktober täglich um 7, 11 und 18 Uhr im Anschluß an das Glockenspiel und ähnlich wie dieses ein stilloses Potpourri, aus dem nur noch der alte Choral und der Hymnus von Paul Hofhaimer die Verbindung mit dem einstigen Bestand wahren. Damit erweist man diesem e i n z i g e n Zeugen gotischen Orgelbaus, dessen sich die Welt noch rühmen darf, keine Ehre. Die Festung Hohensalzburg hat – wie wir gesehen haben – mit Mitteln der Musik von der Höhe des Berges herab auf die Stadt eingewirkt und tut dies heute noch, wenngleich auch das alte Symbol der fürstlichen Gewalt durch den Großstadtlärm die Bewohner der Stadt nicht mehr erreicht. Horn- und Walzenwerk bilden jedoch ein Kontinuum der Musik auf der Festung vom frühen 16. Jahrhundert bis heute, ebenso die Pflege der Kirchenmusik, die am Patroziniumsfest gegenwärtig wieder der Dommusik übertragen ist. Gelegentlich bieten Konzerte den Reiz der Verbindung von Musik und Raum an historischen Plätzen. Mit dem Rahmen und den Beziehungen verfügt die Festung Hohensalzburg damit über eine der Voraussetzungen für die Kunst, eine lebendige Funktion zu erfüllen.

Zurück zu den Historischen Berichten

Zurück zum Inhaltsverzeichnis